
Diese Vortragszusammenfassung behandelt die vertragliche Dimension der Fatiha und die Entwicklung des sozialen Geistes, basierend auf unserem wöchentlichen Vortrag vom 11. Mai 2025 und Elmalılı Muhammed Hamdi Yazırs „Hak Dini Kur’an Dili“.
Ein Vertrag zwischen Allah und den Menschen
Der Vers „Nur Dir dienen wir und nur von Dir erbitten wir Hilfe“ ist mehr als ein Gebet. Hier wird ein sehr tiefer und umfassender Treuevertrag, eine rechtliche Vereinbarung, in Form einer Vereinbarung zwischen Allah und seinen Dienern zum Ausdruck gebracht. Dabei handelt es sich um eine präzise Erklärung des tiefsten und größten Gesetzes der Schöpfung.
Die Ungläubigen werden unbewusst mit ihren Körpern hinter diesem Gesetz hergezogen. Die Gläubigen hingegen leben es nicht nur mit ihren Körpern, sondern auch mit ihrem Verstand und ihren Gefühlen.
Göttliche Ethik in Aktion
Besonders bemerkenswert ist die Art, wie Allah diesen Vertrag gestaltet: Nachdem Er uns aus dem Nichts erschaffen und ein wenig ausgebildet hat, verleiht Er uns aus Seiner Barmherzigkeit einen ähnlichen Rang und eine ähnliche Ehre, indem Er uns „von Angesicht zu Angesicht“ gegenübertritt.
Anstatt uns aufgrund Seiner Herrschaft Seine eigenen Rechte nur als Pflichten zu befehlen und aufzuerlegen, erkennt Er uns, die wir eigentlich keinerlei Rechtsansprüche haben, Eigentum und Rechte zu, tauscht beide aus und nimmt unsere Rechte unter die Verantwortung Seiner Barmherzigkeit.
Die Reihenfolge von Pflicht und Recht
Die Barmherzigkeit kommt vor der Dienerschaft, aber die Dienerschaft kommt auch vor dem Erbitten von Hilfe. Das bedeutet, dass die Pflicht dem Recht vorausgeht. Und doch ist die Barmherzigkeit Allahs und die Entstehung des Rechts noch früher.
Warum „wir“ statt „ich“?
Der Vertrag wird nicht in der ersten Person, wie etwa „Ich bete an, ich bitte um Hilfe“, geschlossen, sondern er wird in der Mehrzahl, also der ersten Person Plural, geschlossen.
Dies ist kein Zufall: Um Gottesdienste in der Gemeinde abhalten zu können, muss eine Gemeinde gegründet werden. Allerdings bedeutet Gemeinschaft nicht eine trockene Masse, sondern ein organisiertes Gremium, das mit den gleichen Gefühlen in Einheit agieren kann.
Die Entstehung des sozialen Geistes
Der soziale Geist setzt sich zuerst im Einzelnen fest, und wenn das Gefühl der Brüderlichkeit in das Gewissen eines Menschen eindringt und es durch die Beseitigung von Arroganz, Engstirnigkeit und Selbstsucht erweitert, wird er im Verhältnis zur Weite dieses Gewissens zu einem Kandidaten für eine Gemeinschaft.
Enges vs. weites Gewissen
Ein arrogantes, engstirniges Gewissen liebt nur sich selbst und fürchtet nur um sich selbst. Seine Hoffnung gehört ihm, seine Angst gehört ihm. Seiner Meinung nach ist der Nutzen sein Nutzen und der Schaden sein Schaden.
Der Wandel beginnt, wenn: diese Liebe und Furcht im Gewissen aufsteigen und es beginnt, einen anderen Menschen als sich selbst oder zumindest als sich selbst ebenbürtig anzusehen, Freude an den Vorteilen zu empfinden, die ihm zuteil werden, als wären es seine eigenen, und Trauer über die Schäden zu empfinden, die ihm zugefügt werden, als wären es seine eigenen.
Das Grundgesetz der Gemeinschaftsbildung
Eine Person, in deren Gewissen ein solcher sozialer Geist verankert ist, wird entsprechend der Weite und Stärke ihres Gewissens zum Ausgangspunkt für die Bildung einer sozialen Gemeinschaft.
Der Grad des Brüderlichkeitsgefühls entspricht der Grundlage der Liebe und Furcht, die dieses Gewissen spürt, und die Grenze der Gemeinschaft, für die es sich eignet, ist ebenfalls davon bestimmt.
Wachstum und Schrumpfung von Gesellschaften
Je egoistischer die Menschen in einer Gesellschaft werden, desto mehr verengt und zersplittert der soziale Geist die Gesellschaft als Ganzes und verringert in diesem Ausmaß ihre Gemeinschaft und ihre Geschwister.
Umgekehrt: Je größer und umfassender eine Gesellschaft ist, desto stärker entwickelt sich ihr Sozialgeist und desto mehr kleine, eng begrenzte Gesellschaften werden von ihr absorbiert und gefördert.
Die kritische Balance
Der wichtigste Grund für das Wachstum oder Schrumpfen einer Gesellschaft muss in der Breite ihres Sozialgeistes und der Stärke ihres Gewissens gesucht werden.
Zwei Gefahren bedrohen jede Gesellschaft: Wenn es in der Gesellschaft zu Wachstum kommt, das Gewissen jedoch nicht stark genug ist, kann diese Gesellschaft nicht regiert werden. Es ist dazu verdammt, zu zerfallen, zu zersplittern und zu schrumpfen.
Andererseits: Das Gewissen ist stark, doch wenn es keine Erweiterung der Gesellschaft gibt, kann diese nicht wachsen. Schließlich wird es von der Gesellschaft als Ganzes verschluckt.
Praktische Bedeutung heute
Diese Analyse zeigt, warum nachhaltige Gemeinschaften sowohl starke individuelle Gewissen als auch Strukturen für gesellschaftliches Wachstum benötigen. Die Fatiha fungiert als tägliches Training für diesen sozialen Geist.
Das „Wir“ im Gebet ist nicht nur Höflichkeit, sondern Programm: Es kultiviert systematisch die Fähigkeit, über das eigene Ego hinauszuwachsen und sich mit größeren Gemeinschaften zu identifizieren.
Die beschriebene „göttliche Ethik“ – wo Allah freiwillig Verträge mit Menschen schließt, obwohl er sie nicht braucht – bietet ein Modell für Führung: Macht nicht als Dominanz, sondern als Ermächtigung anderer zu verstehen.