
Diese Vortragszusammenfassung behandelt die fundamentalen Kategorien des Glaubens in der islamischen Theologie, basierend auf unserem wöchentlichen Vortrag vom 6. Juli 2025 und den klassischen Definitionen der islamischen Gelehrsamkeit.
Die drei Grundkategorien des Glaubens
Die islamische Theologie unterscheidet drei primäre Kategorien bezüglich des Glaubens: Iman (Glaube), Kufr (Unglaube) und Shirk (Beigesellung). Diese Einteilung stammt direkt aus den prophetischen Überlieferungen und bildet das Fundament für das Verständnis verschiedener Glaubenszustände.
Kufr bezeichnet diejenigen, die an gar nichts glauben. Shirk umfasst jene, die zwar an Allah glauben, ihm jedoch andere Wesen oder Eigenschaften beigesellen. Iman beschreibt den reinen Monotheismus gemäß islamischer Lehre.
Zusätzlich existiert die Kategorie Ahl al-Kitab (Volk der Schrift), die Anhänger offenbarter Religionen wie Judentum und Christentum umfasst.
Die Definition des Iman
Iman basiert auf dem authentischen Hadith des Propheten und umfasst den Glauben an: Allah und seine Einzigkeit, die Engel, die Propheten, die offenbarten Bücher, den Tag des Jüngsten Gerichts sowie das Schicksal (Qada und Qadar).
In der islamischen Terminologie bedeutet Iman „von ganzem Herzen an eine bestimmte Nachricht glauben“ und „die Person bestätigen, die die Nachricht überbringt“. Es handelt sich um absolute Bestätigung (mutlak tasdiq) ohne Zögern.
Iman als Herzensangelegenheit
Ein fundamentaler Aspekt des Iman ist seine Natur als reine Herzensangelegenheit. Wie die Gelehrten der Ahl as-Sunna (Jumhur al-Muhaqqiqin) feststellten: Der islamische Glaube besteht allein aus der Herzensbestätigung (qalbi tasdiq).
Dies bedeutet: Wer im Herzen eine zweifelsfreie Bestätigung trägt, gilt bei Allah als gläubig (Mu’min), unabhängig von äußeren Handlungen. Das mündliche Glaubensbekenntnis (lisan iqrar) ist zwar wichtig für gesellschaftliche und rechtliche Anerkennung, bildet jedoch nicht den eigentlichen Kern des Glaubens.
Die Natur von Shirk und Kufr
Ebenso wie Iman sind auch Shirk und Kufr primär Herzensangelegenheiten. Keine Handlung kann jemanden „aus Versehen“ zum Muslim, Kafir oder Mushrik machen. Die moderne Vorstellung, durch bloße Wortwiederholung den Glauben zu wechseln, widerspricht diesem theologischen Prinzip.
Dies zeigt sich in historischen Beispielen: Als ein Mann zum Propheten kam und berichtete, er sei zur Beleidigung des Islam gezwungen worden, fragte der Prophet nach dem Zustand seines Herzens. Als der Mann antwortete, sein Herz habe dem nicht zugestimmt, erklärte der Prophet die Situation für unproblematisch.
Das Konzept von Qada und Qadar
Ein wichtiger Bestandteil des Iman ist der Glaube an das Schicksal (Qada und Qadar). Entgegen häufiger Missverständnisse bedeutet dies nicht Fatalismus.
Qadar bezeichnet Allahs allumfassendes Wissen um alle Ereignisse und Entscheidungen. Qada beschreibt das tatsächliche Eintreten dieser Ereignisse. Menschen besitzen vollständige Entscheidungsfreiheit, während Allah durch sein unbegrenztes Wissen bereits um die Konsequenzen ihrer Entscheidungen weiß.
Die Problematik des Takfir
Ein bedeutsamer Aspekt der Diskussion war die Warnung vor Takfir – der Erklärung eines Muslims zum Ungläubigen. Das Werk „Fatawa al-Hindiya“ betont: „Takfir ist eine schwerwiegende Angelegenheit, der Mufti sollte darin äußerst vorsichtig sein.“
Diese Vorsicht gilt umso mehr für gewöhnliche Muslims ohne entsprechende Qualifikation. Moderne Gelehrte betonen einhellig, dass normale Gläubige nicht befugt sind, solche Urteile zu fällen.
Der Grundsatz der Vermutung des Guten
Bei Zweifeln bezüglich des Glaubenszustands einer Person gilt der Grundsatz: „Im Zweifel wird das Urteil des Islam über die Person nicht aufgehoben.“ Dieser Ansatz entspricht der prophetischen Praxis, wie ein Hadith von Aischa (radiallahu anha) verdeutlicht:
Als Menschen dem Propheten Fleisch brachten und unsicher waren, ob bei der Schlachtung Allahs Name gesprochen wurde, antwortete er: „Sprecht ihr den Namen Allah darüber und esst.“ Der Hadith fügt hinzu, dass diese Menschen zu jener Zeit noch nah am Unglauben oder neu im Islam waren.
Praktische Implikationen für die Gegenwart
Diese theologischen Prinzipien haben direkte Auswirkungen auf das zwischenmenschliche Verhalten innerhalb der muslimischen Gemeinschaft. Statt nach vermeintlichen Glaubensfehlern bei anderen zu suchen, sollte der Fokus auf der eigenen spirituellen Entwicklung liegen.
Die Betonung der Herzensangelegenheit verdeutlicht auch, dass äußere Rituale allein nicht ausreichen. Wahre Religiosität erfordert innere Überzeugung und aufrichtige Hingabe.
Wissenschaftliche Fundierung
Die dargestellten Positionen basieren auf etablierten Quellen der islamischen Rechtswissenschaft, insbesondere den Werken der Ahl as-Sunna wa al-Jama’a. Die zitierten Prinzipien finden sich in klassischen Texten wie der „Fatawa al-Hindiya“ und entsprechen dem Konsens der traditionellen Gelehrsamkeit.
Diese Lehren bieten einen ausgewogenen Ansatz zwischen theologischer Klarheit und praktischer Anwendbarkeit, der sowohl die Reinheit der Lehre als auch den respektvollen Umgang innerhalb der Gemeinschaft gewährleistet.